5 Jahre Festschrift Palliativmedizin
55 Im Medizinstudium versucht man uns beizubrin- gen, wie wir Menschen heilen. Denn das ist schließlich das Ziel eines jeden Arztes: seinen kranken Patienten gesund wieder heimzuschicken oder ihn wenigstens so gut mit Medikamenten zu versorgen, dass er nichts mehr von seiner Kran- kheit merkt. Während des Studiums wurden uns die verschiedensten Krankheiten und die zugrun- de liegenden Mechanismen vorgestellt. Für man- che Klausuren musste man dann noch die Über- lebenswahrscheinlichkeit oder auch mal eine Sterblichkeitsrate lernen. Für jedes Stadium ei- ner Krebserkrankung mussten wir die verschie- denen Kombinationen an Chemotherapeutika ler- nen, was gut und gerechtfertigt ist. Doch dabei bekommt man als Student schnell ein Bild von der Berufsgruppe der Ärzte, wie es auch unter vielen Patienten verbreitet ist: der Arzt als allmächtiger Halbgott, der den Kranken von jeder Krankheit befreien kann. Dass dies nicht so ist, merkt man allerdings schnell in den ersten Praktika, in denen Patienten nicht mehr nur „Fälle“ sind, sondern von ihren Schmerzen oder Ängsten berichten. Die Krankheiten, die man in den Vor- lesungen besprochen hatte, erhalten plötzlich eine Geschichte und in Form der einzelnen Pa- tienten auch ein Gesicht. In den Pflegepraktika in der Vorklinik hatte ich bereits einige Fälle auf den Als Studentin in der Palliativmedizin Anna Maria Lehner verschiedenen Stationen mitgekriegt, bei denen das ärztliche Team viel und heftig diskutierte, wie man weiter verfahren sollte. Aber genauso oft waren die Ärzte auch sprachlos, wenn sie merk- ten, dass sie kurativ nichts mehr für ihre Pa- tienten machen konnten und so wurde es viel- leicht manchmal verpasst, das Ziel der Therapie von einem kurativen in ein palliatives umzu- schreiben, sodass mancher Patient zwischen zwei therapeutischen Maßnahmen verstarb. Ich selbst war überfordert von diesen Situationen und wollte mich besser auf solche Krankheits- verläufe vorbereiten. Da lag es nur nahe, auf der Palliativstation in Erlangen zu famulieren. Ich wollte mehr über Therapieentscheidungen ler- nen, aber auch wie man mit Sterbenden umgeht und erhoffte mir auch, zu lernen, wie man es schafft, mit solchen Patienten ehrlich über ihre Prognose zu reden. In der ersten Zeit auf der Palliativstation habe ich mir sehr schwer damit getan, von dem gelehrten „alles für jeden“ weg- zukommen. Doch ich wurde während meiner Famulatur sehr schnell in das Team der Station eingebunden und es stand jederzeit jemand für Fragen zur Verfügung, sodass man viele Ent- scheidungen des Teams noch mal nachträglich zusammen aufarbeitete. Es ist herausfordernd zu lernen, die Entscheidungen zu treffen, dass man
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