5 Jahre Festschrift Palliativmedizin

49 chend zu nutzen; Respekt, vor dem gesamten Team auf Station; Freundschaft, zu Lena und ihren Liebsten; Hilflosigkeit, weil man vielen Din- gen einfach alleine nicht gewachsen ist; und noch so vieles mehr … Ich habe dieses Bild im Kopf, mit dem lachenden und dem weinenden Auge, und ich denke, genau- so sollte es sein, wenn man daran denkt, dass man einen besonderen Menschen auf der Pal- liativstation gehen lassen musste. Und ich bin sehr froh, dass wir dort alles so erleben durften, wie es geschehen ist. Irgendwie haben wir dort alle gewohnt. Geschla- fen habe ich zwar daheim, jedoch war ich jeden Tag auf Station und sie wurde in dieser speziellen Zeit wie ein zweites Zuhause für uns alle. Damit wir für Lena da sein konnten. Und weil wir da sein durften. Das ist nicht selbstverständlich auf einer Station im Krankenhaus. Und das ist es ja im Grunde – nur eben eine besondere Station. Als Medizinstudent hat man früh die ersten Kontakte zur Palliativmedizin, bei mir war dies im Pflegepraktikum bei einem Patienten, der an einem Pankreaskarzinom verstorben ist. Das war eine besondere Erfahrung für mich, aber wirklich verstanden habe ich nicht, was das alles für den Patienten und seine Angehörigen bedeutet hat. Vor etwa zwei Jahren wurde bei meiner Freundin Lena dann plötzlich Nierenkrebs diagnostiziert und die Situation änderte sich für mich schlagar- tig. Mein Blickwinkel änderte sich, denn nun war ich, so unwirklich das alles wirkte, mitbetroffen. Wir, damit meine ich ihre Familie und uns Freun- de, haben sie schon zu Beginn der Krankheit un- terstützt, wo wir nur konnten. Seien es Besuche in der Klinik oder daheim, gemeinsame Fahrten zum Arzt oder Aktionen, um sie trotz ihrer Be- schwerden von zu Hause rauszuholen. Und dabei war die stationäre und ambulante Palliativmedi- zin stets ein Begleiter, der uns dabei unterstützte. Sie hatte so viel Angst, vor dem Ungewissen und den Schmerzen. Und die Hilflosigkeit, die man in solchen Situationen empfindet, in denen die Schmerzen nicht auszuhalten waren, kann ich gar nicht in Worte fassen. Doch wenigstens die Schmerzen konnten gelindert werden, wofür wir sehr dankbar waren. Als ihre Zeit mehr als begrenzt war, bot die Palliativstation uns eine zweite Heimat für diese zwei intensiven und lebendigen Wochen. Wir konnten immer zu ihr – wenn es ihr recht war, war es der Station recht. Wir durften ihr gemein- sam mit dem engagierten Team die letzten Wün- sche erfüllen. Beispielsweise, dass sie nicht allein sein wollte. So durften ihre Mutter und Schwester dort schlafen und wir Freunde immer da sein. Wir ermöglichten ihr in einer unglaubli- chen Aktion, sich von ihrem Pferd zu verabschie- den, haben gemeinsam gekocht, die Katzen mit- gebracht, die Bergkirchweih auf die Terrasse, das WM-Fußballstadion von Brasilien ins Wohnzim- mer verlegt, oder einfach nur jeden Tag die wun- derbare Junisonne auf der Terrasse genossen. Egal, was man auf dem Herzen hatte, das gesam- te Team der Station stand einem immer zur Seite, sei es in pflegerischer, medizinischer und natürlich auch in menschlicher Hinsicht. Wir wa- ren nie allein. Die Nacht als Lena ging, werde ich niemals ver- gessen. Dieser Respekt, die Betroffenheit und auch der professionelle Umgang mit einer Ster- benden und ihren Angehörigen war würdevoll und eine unbeschreibliche Hilfe. Vielen Dank für diesen besonderen Abschied. Ein halbes Jahr später habe ich im Rahmen mei- nes Studiums das Blockpraktikum in der Pallia- tivmedizin absolvieren müssen. Es ist wirklich gut strukturiert und gibt einem Medizinstudenten Einblicke in eine Welt, die man gar nicht wirklich greifen und verstehen kann. Für mich war diese Woche natürlich noch auf ganz andere Weise besonders. Ich musste mich wieder so bewusst und aktiv mit Lena und ihrem viel zu frühen Tod auseinandersetzen, wieder in diesem nun nicht mehr „ihrem“ Zimmer zu stehen. Das bringt Emo- tionen an den Tag, denen man sich stellen muss, einerseits, damit einen diese ganz persönliche Trauer nicht auffrisst und andererseits, um spä- ter die eigenen Patienten, die ich sicher mal haben werde, in solchen Situationen professio- nell und empathisch begleiten zu können. Doch auch hier wurde ich von den Betreuern des Praktikums in meiner speziellen Situation nicht allein gelassen. Es gab Zeit und Raum, um darü- ber zu reden und den Umgang damit leichter und verständlicher zu machen. Einfach ist das alles nicht, aber ich bin dankbar für alles, was ich als Freundin von Lena auf der Palliativstation erleben durfte. Und ich weiß, dass das lachende Auge in den meisten Momen- ten größer ist. Danke!

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