5 Jahre Festschrift Palliativmedizin
26 Das Eröffnen einer neuen Station ist eine großar- tige Angelegenheit. Es braucht viel Vorarbeit und Planung, damit an einem vorbestimmten Tag alles und alle bereit sind, den ersten Patienten aufzunehmen. So durften wir – Ärzte, Pflege- kräfte, eine Psychologin, eine Physiotherapeutin, eine Seelsorgerin und eine Sozialarbeiterin – uns ein wenig wie Pioniere fühlen: Eine stationäre palliativmedizinische Behandlung war neu für dieses Universitätsklinikum – und neu auch für viele von uns. Es war nötig, vieles von Grund auf zu denken und Abläufe, Dokumentationsvorlagen und Behandlungsschemata neu zu erstellen. Viel profitiert haben wir natürlich von den Ideen, die Prof. Dr. Christoph Ostgathe aus Köln mitge- bracht hat. Trotzdem waren der erste Tag und der erste Patient, den wir am 19.04.2010 aufneh- men durften, für uns sehr aufregend. Wir hatten vorgesehen, die Kapazität und die Patientenzahl langsam zu steigern, um mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt uns in die neuen Aufgaben und Abläufe hineinfinden zu können. So haben wir zunächst eine Belegung von 50 % angepeilt; erst zum 01.09.2010 wurde die Kapazität der Station auf zehn Betten gesteigert. Von Beginn an war es wichtig, Patienten auf der zuweisenden Station zu besuchen, eine Idee, aus der sich später der Palliativmedizinische Dienst entwickelte. Schon bald, am 26.04.2010, wurde uns der erste Patient aus dem ambulanten Bereich zugewie- sen. Die Zusammenarbeit mit den niedergelasse- nen Kollegen und den SAPV-Teams war uns von Beginn an sehr wichtig und hat sich in den aller- meisten Fällen sehr gut entwickelt. Die ersten Patienten verstarben nach wenigen Tagen im Rahmen ihrer schweren Erkrankungen. Es dauerte bis zum 04.05.2010, bis wir die erste Patientin – die fünfte Aufnahme auf der Station – entlassen konnten. Das Verhältnis von entlasse- Palliativstation Carsten Klein nen Patienten zur Anzahl der auf Station Ver- storbenen hat sich langsam verändert und liegt nun bei knapp 60 %. Viele besondere Situationen durften wir in den fünf Jahren erleben. Es gab Menschen ohne Familie, die sich ganz auf uns gestützt haben und Menschen mit sehr großen Familien, die biswei- len bis in die Frauenklinik hinein wahrnehmbar waren. Wir haben Menschen mit unterschiedlichs- ten sozialen, kulturellen und religiösen Hinter- gründen behandeln dürfen. Mit der Zeit ist so auch das Wissen um die Bedürfnisse und Rituale anderer Religionen gewachsen – nicht zuletzt auch dank eines von Mitarbeitern, Angehörigen und Patienten gepflegten offenen und toleranten Umgangs miteinander. In unserem Rituale- Schrank finden sich inzwischen neben der christ- lichen Bibel und der jüdischen Heiligen Schrift auch der Koran in einer arabischen und einer deutschen Ausgabe, ein Gebetsteppich und ein Gebetsschal – alles Geschenke von Familien, die wir begleiten durften. In den ersten Monaten ist es dem Team gelungen, gut zusammenzuwachsen und für sich und die Patienten gute Behandlungsschemata und Stra- tegien zu entwickeln. Zurückblickend ist zu sa- gen, dass es sicher hilfreich war, mit einem zu- nächst kleineren Team zu beginnen, das sich rasch und gut aufeinander einspielen konnte. Im Laufe der nun fünf Jahre ist das Team deutlich gewach- sen und aus dem zarten Pflänzchen ist ein stattli- cher Baum mit stabilen Wurzeln geworden. Die tägliche Arbeit hat sich in den vergangenen fünf Jahren nicht wesentlich geändert: Im Mit- telpunkt stehen Patienten und Angehörige, die mit ganz viel Engagement und Wärme umsorgt werden. Geändert hat sich jedoch die Arbeits- dichte: Mehr Patienten werden in derselben Zeit
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